Die Wahrheit über Zucker

Die Wahrheit über Zucker

Das frühere Luxusgut Zucker regiert mittlerweile unsere Lebensmittelindustrie. Als Folge nehmen wir mehr Zucker zu uns, als eigentlich gut für unsere Gesundheit ist. Wo sich der Zucker versteckt, wie wir ihn erkennen und ob wir die leckere Süße auch ersetzen können - Vital klärt Euch über den Energielieferanten auf. 

Zuckerfallen© thinkstockphotos
Zuckerfallen

Die ersten Wochen des Jahres gelten wohl als die Gesündesten - kaum hat das neue Jahr begonnen, verbannen wir alles Süße aus den Schränken, wälzen Diätpläne und beschließen, ab jetzt wirklich gesünder zu essen. Zucker ist schließlich extrem ungesund. Oder nicht? "Es gibt zumindest keinen Beweis, dass er gefährlich ist", sagt Prof. Hans Hauner, Direktor des Zentrums für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, "problematisch ist Zucker in großen Mengen." Welche alternativen Süßungsmittel es gibt und warum Zucker so wichtig für den Körper ist, erfahrt Ihr hier.

Gewonnen aus Zuckerrohr und -rüben, galt Zucker jahrhundertelang als ein Luxusgut, das sich nur Reiche leisten konnten. Heute ist er als Treibstoff unseres Alltags omnipräsent. Im Jahr 2011 lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland bei 44,7 Kilogramm. Das entspricht rund 130 Gramm täglich. Viel zu viel laut der Weltgesundheitsorganisation: Sie rät, maximal zehn Prozent der täglichen Kalorienzufuhr in Form von Zucker aufzunehmen. Das macht bei durchschnittlich verzehrten 2300 Kalorien pro Tag gut 50 Gramm aus. Parallel zum Zuckerverbrauch steigt seit Jahren auch die Zahl der an Diabetes und Fettleibigkeit erkrankten Menschen. In welchem Ausmaß der Zucker daran schuld ist, lässt sich jedoch kaum messen, da unser Stoffwechsel sehr komplex aufgebaut ist und unter dem Begriff Zucker eine Vielzahl verschieden aufgebauter Kohlenhydrate zusammengefasst wird. Chemische Bauteile wie Einfach-, Zweifach- oder Mehrfachzucker und all deren Unterformen verarbeitet der Körper auf unterschiedliche Weise. Während z. B. Traubenzucker (Glukose) schnell sättigt und die Produktion des Glückshormons Serotonin anregt, jagt er gleichzeitig den Blutzucker extrem hoch – das belastet die Gefäße. Fruchtzucker (Fruktose) hingegen hat keine Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel, treibt aber die Cholesterinwerte in die Höhe, was auf Dauer zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann.

Zucker als Betriebsstoff für die Zellen

Zucker dient dem Körper hauptsächlich als wichtiger Energielieferant. Das Gehirn oder auch bestimmte Zellen, beispielsweise rote Blutkörperchen, funktionieren ausschließlich mit Glukose als Treibstoff. Glukose kann unser Organismus aber selbst aus der Nahrung ziehen, beispielsweise aus Brot, Nudeln oder Gemüse. Der Vorteil: Kohlenhydrate aus stärkereichen Pflanzen müssen zunächst vom Körper aufgespalten werden, damit der Mehrfachzucker aufgenommen werden kann. Dabei nimmt der Körper auch andere, wichtige Nährstoffe mit auf. Gleichzeitig steigt der Blutzuckerspiegel langsamer an, da der Zucker nicht direkt in die Blutlaufbahn gelangt.

Beim Naschen nehmen wir hauptsächlich Einfach- und Zweifachzucker auf. Diese bringen zwar rasch Energie, verpuffen aber auch genauso schnell. Der Körper verlangt schnell Nachschub und wir nehmen übermäßig viele Kalorien zu uns, die schließlich als Fettpölsterchen auf den Hüften enden. Deshalb empfiehlt es sich, Zucker bewusst zu genießen, unnötigen Zucker zu streichen und vollwertige Kohlenhydrate in den Speiseplan einzubauen.

Viel weiter gehen da die Befürworter von Ernährungsmethoden wie "Low Carb" oder "Logi", die Kohlenhydrate fast komplett aus der Ernährung streichen. Die verminderte Zucker- und Stärkezufuhr soll hierbei den Zuckerspiegel im Blut niedrig halten. Solche Konzepte sind bei Ernährungsexperten jedoch umstritten und gelten als ungenau. Außerdem wird bei diesen Ernährungsweisen die für den Körper notwendige Funktion von Kohlenhydraten als Energielieferanten nicht ausreichend beachtet - ein häufiger Nebeneffekt dieser Diäten sind daher Müdigkeit und Schlappheit.

Einfacher ist es, genau hinzuschauen und die Einfach- und Zweifachzucker zu reduzieren. "Vor allem gezuckerte Getränke, Limonaden oder Cola sind die größten Fallen", warnt Prof. Hauner. Damit spricht er ein weiteres Problem an. Denn sehr oft nehmen wir Zucker zu uns, ohne es überhaupt zu wissen. Ob in Ketchup, Senf, Salatsaucen, Tütensuppen, Konserven oder Wurst - Schätzungen zufolge steckt in mehr als der Hälfte aller industriell gefertigten Lebensmittel Zucker. "Gerade in Kinderlebensmitteln ist oft viel Zucker versteckt", warnt auch Clara Meynen, Referentin für Ernährungsverhalten beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin.

Zucker - der Stoff der tausend Namen

Ein kürzlich durchgeführter Marktcheck von 94 Produkten ergab, dass in Cerealien oder Joghurt bis zu 15 verschiedene zuckerhaltige Zutaten stecken – geschickte Täuschungsmanöver inklusive. "Der Gesamtzuckergehalt wird in Stoffe wie Maltodextrin, Glukosesirup oder Süßmolkenpulver aufgedröselt und steht auf der Zutatenliste schön verteilt, statt ganz weit vorn2, so Meynen. Was können wir also tun? Dagegen hilft nur, sich über die zahlreichen Bezeichnungen für Zucker zu informieren (z. B. in der Zucker-Broschüre von www.aid-medienshop.de für 4 Euro).

Immerhin gilt für die Industrie seit 2016 eine EU-weite Nährwertkennzeichnungspflicht: Seitdem muss auf allen Lebensmittelverpackungen auch der Gesamtwert genannt werden.

Und wie steht es um die Süßstoffe? Können sie mit hoher Süßkraft und null Kalorien unser Zuckerproblem lösen? "Sie können helfen, Energie zu sparen, haben aber schnell eine Alibi-Funktion", sagt Meynen. "Man isst trotzdem noch Süßigkeiten, vielleicht sogar mehr, weil sie weniger Kalorien haben." Der Austausch durch geschmacklich Ähnliches geht in die falsche Richtung. Besser sei es, insgesamt die Geschmacksschwelle für Süßes herabzusetzen, indem man Essen und Trinken nach und nach weniger süßt.

Fruchtjoghurt aus dem Kühlregal enthält oft sehr viel Zucker. Mischt deshalb einfach Euren Naturjoghurt mit frischem Obst und kreiert so Eure eigene Nachspeise. Obstsorten mit einer hohen Süßkraft sind beispielsweise Mangos, Bananen oder Weintrauben. Gewürze wie Zimt oder Kardamom fördern den Geschmack und Vanille reduziert sogar die Lust auf Süßes. Greift statt Fertigmüsli zu zuckerfreien Cornflakes und Haferflocken, mixt beides mit Obst und Milch und spart so beim nächsten Frühstück eine Menge Kalorien. Auch bei Kuchenrezepten lässt sich Zucker problemlos um gut zehn Prozent reduzieren. Auch wenn Ihr statt Konfitüre Fruchtmus auf Euer Brötchen streicht, spart Ihr viel Zucker ein. Eine Alternative zu Cola oder Limonaden gibt es auch: Probiert es doch mal mit Kräutertees oder Wasser - für den leckeren Geschmack könnt Ihr Zitrone, Minze oder Ingwer aber auch frische Beeren in das Wasser geben.

Synthetische und natürliche Zuckeralternativen

Ob Honig, Agavendicksaft, Datteldicksaft, Ahorn- oder Reissirup - in der Vollwert-Ernährung nutzt man diese Süßungsmittel schon lange als Alternative zum herkömmlichen Haushaltszucker. Diese naturbelassenen Süßungsmittel enthalten in geringen Mengen Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme und sind eine gute Möglichkeit, Zucker zu ersetzen. Dank ihrer starken Süßkraft können sie sparsamer dosiert werden; allerdings enthalten manche bis zu 90 Prozent Zuckerstoffe und eignen sich daher nicht für Diabetiker. Eine Ausnahme bildet Stevia: Dieses Süßungsmittel, gewonnen aus dem südamerikanischen Süßkraut, besitzt null Kalorien.

Häufig wird Zucker in der Lebensmittelindustrie auch durch Süßstoffe oder Zuckeraustauschstoffe ersetzt. Beide Zuckeralternativen sind sehr unterschiedlich: Süßstoffe sind kalorienfrei, werden großteils synthetisch hergestellt und haben eine deutlich höhere Süßkraft als Zucker. Der schwächste Süßstoff Cyclamat ist rund 30-mal stärker als Zucker, Sucrononat süßt sogar 200.000-mal intensiver. Dass einige Substanzen den Appetit anregen sollen, konnte bisher nicht eindeutig belegt werden. Zuckeraustauschstoffe wie Fruktose, Sorbit oder Xylit sind aus natürlichen Stoffen isolierte Kohlenhydrate, die in etwa der Süßkraft des Zuckers entsprechen, aber nur halb so viele Kalorien enthalten. Deshalb werden sie häufig in Diätlebensmitteln verarbeitet, die vor allem Diabetikern eine Alternative bieten.

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