"Käse ist wie Crack" – macht Käse wirklich süchtig?
Seit im Jahr 2015 eine Studie zum Suchtpotential bestimmter Lebensmittel wie Pizza, Käse oder Eiscreme erschienen ist, sind vielerorts aufregende Schlagzeilen wie "Studie beweist: Käse macht süchtig!" oder "Wie harte Drogen: Käse kann süchtig machen!" zu lesen. Für die angeblich süchtig machende Wirkung wird dabei meist Casomorphin verantwortlich gemacht. Dieses entsteht, wenn Casein – ein in Milchprodukten vorkommendes Protein – im Magen zersetzt wird. Nun stellt sich jedoch die Frage: Kann Casomorphin die Blut-Hirn-Schranke passieren und im Gehirn eine ähnliche Wirkung wie Morphium, Heroin oder Kokain haben?
Casomorphin: So wirkt es im Körper
Mehrere Studien haben sich bereits mit Casomorphinen und ihrer Wirkung im menschlichen und tierischen Körper beschäftigt. Bei Ratten stellte man fest, dass diese auf Casomorphine nicht in derselben Weise wie auf Morphium reagierten. Sie wurden also nicht süchtig nach den Morphinen aus Milchprodukten. Bei Menschen haben Messungen gezeigt, dass der Großteil der Casomorphine während der Verdauungsvorgänge in Magen und Dünndarm verloren geht. So waren 24 Stunden nach der Aufnahme nur noch fünf Prozent der ursprünglich aufgenommenen Menge im Körper nachweisbar. Doch reichen diese fünf Prozent für einen drogenartigen Rausch?
Damit die kleine Menge Casomorphine, die übrig bleibt, auf unser Gehirn wirken könnte, müsste sie im Dünndarm über Transporter ins Blut gelangen und von dort die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Bisher wurden jedoch in keiner Untersuchung entsprechende Transporter gefunden, an die die Casomorphine im menschlichen Körper andocken könnten. Dies bestätigte auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Die einzigen Fälle, in denen eine Aufnahme von Casomorphinen theoretisch denkbar wären, sind Säuglinge und Personen mit einer krankhaft erhöhten Durchlässigkeit der Darmschleimhaut.
Wieso sind wir so verrückt nach Käse?
Wenn Casomorphine uns nicht abhängig machen, wie erklärt man sich dann den stetigen Anstieg des Käsekonsums? Im Jahr 2019 haben die Deutschen pro Kopf immerhin 25 Kilogramm Käse verputzt. Vier Kilo mehr als noch im Jahr 2000. Was macht Käse für uns so schmackhaft und verführerisch? Die Antwort liegt zum Teil in unserer Evolutionsgeschichte begründet. Die Geschmacksrichtungen umami, salzig und fettig – wie sie im Käse vorkommen – signalisieren uns seit jeher, dass uns ein Lebensmittel vorliegt, welches reich an Kalorien und Nährstoffen wie Natrium ist. Früher war dieses Verlangen nach solchen Geschmäckern überlebenswichtig. Wie eine Droge wirkt Käse allerdings nicht.
Suchtpotential von Lebensmitteln
Da Lebensmittel aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wie Drogen wirken und nicht dieselben Rezeptoren im Gehirn ansteuern wie Heroin oder Kokain, stellt sich die Frage, wieso Menschen ein solch großes Verlangen nach Käse & Co. haben. Die oben erwähnten Geschmacksrichtungen umami und salzig spielen neben dem Gehalt an Kohlenhydraten und Fettsäuren eine entscheidende Rolle.
So zeigte jene Studie, welche von vielen Medien fehlinterpretiert wurde ("Käse ist wie Crack"), dass insbesondere Lebensmittel und Gerichte für uns attraktiv sind, welche reich an hochglykämischen Kohlenhydraten, z.B. Eiscreme, Schokolade und Kekse, sowie Fett, Salz und Umami-Geschmack sind, z.B. Pizza, Käse, Pommes, Chips und Burger. Die Vorliebe dafür liegt zum Teil in unserer Evolution begründet, hängt jedoch auch mit Gewohnheiten, Geschmacksgewöhnung und emotionalen Erinnerungen zusammen.
Kurios: In einer Befragung mit 222 Student:innen gaben 46 % der Frauen an, sie würden lieber auf Oralsex als auf Käse verzichten. Unter den Männern waren es immerhin 36 %.