Welches Essen schützt vor Krebs?

Welches Essen schützt vor Krebs?

Obst und Gemüse senken, Fett und Fleisch erhöhen das Tumor-Risiko. So einfach ist das leider nicht. Prof. Cornelia Ulrich sagt, wie stark der Einfluss der Ernährung wirklich ist, was das für uns bedeutet und welches Essen tatsächlich vor Krebs schützt.

Den Krebs bekämpfen, ihn irgendwann besiegen, seine Entstehung verstehen – nichts anderes spielt in der medizinischen Forschung momentan eine so große Rolle. Eine der wichtigsten Fragen lautet: Wie kann man vorbeugen? Da die Ernährung den gesamten Stoffwechsel beeinflusst, ist klar, dass die Wissenschaftler seit Jahren buchstäblich auf unseren Tellern nach Antworten suchen.

Das Problem: Was heute noch als „goldene Regel“ gilt, kann morgen schon überholt sein. Gingen Fachleute z.B. bislang davon aus, dass fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag 20 Prozent der Krebserkrankungen verhindern, belegen jetzt neue Studien: Es sind wohl nur 3 Prozent. Was stimmt denn nun? Wie viel bringt eine gesunde Ernährung tatsächlich? Und welches Essen schützt vor Krebs?

Krebs und Ernährung – Interview mit Prof. Cornelia Ulrich

VITAL sprach mit einer Expertin auf diesem Gebiet: Prof. Cornelia Ulrich, Leiterin des Bereichs Präventive Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

VITAL: Kann eine spezielle Ernährung tatsächlich vor Krebs schützen?
Prof. Cornelia Ulrich: Das ist schwierig zu beantworten. Krebs ist eine sehr komplexe Erkrankung, nicht einmal zwei Brustkrebspatientinnen haben die identische Krankheit. Jede Tumorerkrankung ist durch verschiedene Prozesse entstanden und zeigt unterschiedliche Eigenschaften. Deshalb unterscheiden sich auch die Risikofaktoren und die Möglichkeiten der Prävention. Grundsätzlich richtig liegen Sie aber mit viel Gemüse und Obst, mit wenig Fett und Fleisch – und das möglichst nicht durchgebraten. Der Speiseplan sollte ausgewogen, abwechslungsreich, vollwertig sein.

VITAL: Das klingt sehr allgemein. Ist es sinnvoll, gezielt bestimmte Lebensmittel zu essen, die z.B. große Mengen sogenannter Krebsschützer wie Lycopin oder Sulforaphan enthalten?
Prof. Cornelia Ulrich: Ernährung nach dem Bausteinprinzip und Pauschallösungen nach dem Motto „Täglich Tomaten essen“ halte ich nicht für sinnvoll. Es gibt nicht das Lebensmittel, das für jeden Menschen einen Schutz vor jeder Krebsart bietet. Und Lycopin in Tomaten oder Sulforaphan in Brokkoli sind bei Weitem nicht die einzigen bioaktiven Pflanzenstoffe, die vor Krebs schützen können. Es gibt unzählige andere, die bisher kaum erforscht sind. Insgesamt scheint der Schutzeffekt im Zusammenwirken der Substanzen zu liegen – und zwar in Form von echtem Obst und Gemüse. In fast allen Studien war die Einnahme von Vitamin-Präparaten nicht erfolgreich in der Krebsprävention.

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Welches Essen schützt vor Krebs?

VITAL: Dann gilt die berühmte Regel „Fünf am Tag“, also täglich fünf Portionen Obst und Gemüse essen, demnach weiterhin?
Prof. Cornelia Ulrich: Ja, diese Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gilt nach wie vor. Pflanzlich betonte Kost ist ein wichtiger präventiver Faktor.

VITAL: Was sollte man noch essen, was besser nicht?
Prof. Cornelia Ulrich: Nicht nur, was man isst, spielt eine Rolle, es kommt auch auf das Wieviel an, die Energiebilanz. Übergewicht ist ein großes Problem – jeder zweite Bundesbürger ist übergewichtig oder gar fettleibig. Wir wissen, dass dadurch das Risiko etwa für Brustkrebs nach der Menopause, Darmkrebs, Speiseröhrenkrebs, Leber- oder Nierenkarzinome steigt. Wer auf sein Gewicht achtet, kann wirklich viel gegen Krebs tun.

VITAL: Ist die Forschung heute schon so weit, dass man für einzelne Krebsarten sagen kann, wie stark gesundes Essen das Risiko senkt?
Prof. Cornelia Ulrich: Bei Lungenkrebs zeigen Studien, dass eine höhere Aufnahme von Obst und Gemüse durchaus schützend wirkt. Gute Ergebnisse haben wir auch im Bereich der gastrointestinalen Tumoren, also Darm-, Magen- und Speiseröhrenkrebs. Es gibt jedoch genauso Krebsarten wie z.B. das Prostatakarzinom, bei denen bislang keine handfesten Daten vorliegen.

VITAL: Wie wird das überhaupt erforscht?
Prof. Cornelia Ulrich: In sogenannten epidemiologischen Studien werden große Bevölkerungsgruppen längere Zeit beobachtet, um herauszufinden, wer an Krebs erkrankt und was diejenigen gegessen haben. Bei Interventionsstudien verabreicht man gezielt bestimmte Nahrungsmittel und beobachtet, ob sich das Risiko ändert. Daneben gibt es Studien in Zellkulturen oder Tierexperimente. Die Forschung zu Ernährung und Krebs ist ein Puzzle.

Welches Essen schützt vor Krebs?

Krebsentstehung

Zellen sammeln im Laufe ihres Lebens immer mehr Mutationen in ihrer DNA an, was dazu führt, dass Informationen teilweise verloren gehen oder abgewandelt werden. Betrifft dies Abschnitte der Erbsubstanz, die für das Wachstum und die Teilung der Zelle zuständig sind, kann Krebs entstehen. Falsche Ernährung und Übergewicht gehören zu den wichtigsten Faktoren, die das Krebsrisiko erhöhen können.

Auf der Suche nach Krebs-Killern

Die Zahl der Lebensmittel, die angeblich vor Tumoren schützen ist unüberschaubar. VITAL räumt für Sie auf und nennt die aktuellesten Ergebnisse rund um die Krebsprävention.

So viel vorweg: Auch wenn es sich bei vielen Ergebnissen bisher nur um erste Annahmen handelt – eine vollwertige Ernährung, die ausgewogen ist, ist das A und O um Krebs vorzubeugen oder gar Rückfälle zu verhindern!

1. Vitamine sind kein Allheilmittel
Werden Sie vorbeugend als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, können sie das Krebsrisiko sogar erhöhen, belegen große Meta-Analysen. Bei Vitaminen aus Obst und Gemüse droht keine Gefahr. Allerdings darf man nicht zu viel erwarten: Knackige Salate und süße Früchte senken das allgemeine Krebsrisiko um lediglich 3 Prozent. Doch bei rund 420 000 Neuerkrankungen pro Jahr wären das immerhin beachtliche 13 000 Fälle weniger. An die vitaminreiche Regel „Fünf am Tag“ sollten Sie sich also weiterhin halten.

2. Fleisch – riskanter als vermutet
Dass Menschen, die häufig und viel rotes Fleisch (Rind, Schwein) essen, häufiger an Darmkrebs erkranken, ist schon länger bekannt. Eine Studie belegt: Frauen, die viel verarbeitetes Fleisch (Wurst) essen, erkranken auch doppelt so häufig an Brustkrebs. Rat der Experten: auf Fisch und Geflügel umsteigen.

Übrigens: Laut WHO steigert schon der tägliche Verzehr von 50 Gramm Wurst, Schinken und Co. das Darm­krebs­risiko um 18 Prozent. Von rotem Fleisch sollten Sie pro Woche nicht mehr als 500 Gramm verzehren.

3. Viren als Krebsauslöser
Auf einem Krebskongress diskutierten Forscher eine brisante Theorie: Sogenannte latente Virusinfektionen bei Tieren könnten bei Menschen Krebs auslösen. Erste Studien mit infiziertem Rindfleisch belegen den Zusammenhang. Eine Studie der University of Texas zeigt außerdem: Zu langes Braten oder Grillen lässt im Fleisch heterozyklische Amine entstehen, die ebenfalls als Krebsauslöser gelten.

4. Alkohol schadet langfristig
Er steigert nicht nur im Erwachsenenalter das Risiko für Kehlkopf-, Leber- oder Speiseröhrenkrebs. Eine Studie der Universitäten Harvard und St. Louis mit 9000 Teilnehmerinnen belegt: Frauen, die schon als Teenager sechs- bis siebenmal pro Woche Alkohol tranken, erkrankten später deutlich öfter an Brustkrebs.

5. Soja wird überschätzt
Studien zeigen, dass der Schutzeffekt der enthaltenen Isoflavone bei Brustkrebs schwächer als angenommen ist und sich fast nur jenseits der Wechseljahre auswirkt. Bei Frauen, die bereits Brustkrebs haben, kann Soja die Gefahr von Metastasen in anderen Organen möglicherweise sogar erhöhen (US-Studie).

6. Grüner Tee wirkt tückisch
Das Ergebnis einer Meta-Analyse, in die 51 internationale Studien eingingen, sagt eindeutig: Eine allgemeine vorbeugende Wirkung von grünem Tee ist nicht nachweisbar. Sein Inhaltsstoff EGCG kann sogar schaden, denn er macht bestimmte Krebsmedikamente unwirksam.

7. Scharfe Waffe
Meerrettich, Senf und Kohl enthalten sogenannte Glucosinolate. Forscher des Krebsforschungszentrums in Heidelberg wiesen nach, dass die das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, um über 30 Prozent senken können.

8. Brokkoli hilft dem Erbgut
Fehlt Prostatazellen das Gen PTEN, entarten sie zu Tumorzellen. Der Clou: Der Brokkoli-Inhaltsstoff Sulforaphan „sieht“, ob PTEN fehlt, mildert die Folgen des Gendefekts und senkt so das Krebsrisiko (britische Studie).

9. Nüsse
Auch Nüsse sollen das Wachstum von Krebszellen hemmen. Die in ihnen enthalten Ellagsäure verhindert nämlich die Entartung von Zellen und hilft dabei, geschädigte Zellen zu vernichten.

10. Zwiebeln
Zwiebeln sollen bei Darm- und Brustkrebszellen den Zelltod auslösen und die Kommunikation zwischen den Krebszellen unterbrechen. Was in der Zellkultur gut geklappt hat, muss aber erst noch am Menschen getestet werden.

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