Superfrüchte mit Powereffekt

Superfrüchte mit Powereffekt

Angeblich enthalten Acai, Goji, Aronia und Granatapfel so viele geniale Vitamine und Nährstoffe, dass sie gesünder sind als andere Obstsorten. Geschäftemacherei oder stimmt das wirklich?

Granatapfel© iStockphoto
Granatapfel

Diese Beeren haben es in sich. Regelmäßig eine Handvoll davon essen lässt die Haut strahlen, stoppt den Alterungsprozess, beugt Krebs sowie Herzinfarkt vor und hilft das Gewicht zu reduzieren. So überschwänglich klingt es, wenn eine neue Frucht den Markt erobert. Einst galten die Versprechungen den Cranberries aus Amerika, heute Früchten wie Goji- oder Acaibeere. Beide werden wie ein Heilelixier angepriesen und für bis zu 80 Euro pro Flasche verkauft.

Vor allem Versandhändler im Internet locken mit Angeboten von Extrakten als Pulver oder Pille für mehr Vitalität und Fitness. Lohnt sich die Ausgabe? Wir haben vier Senkrechtstarter genauer untersucht.

So viel Vitamin C steckt drin

Je 100 g essbarer Anteil enthalten:

  • Gojibeeren bis 150 mg
  • Aroniabeeren bis 50 mg
  • Granatapfelkerne  7 mg
  • Acaibeeren wenig

Zum Vergleich:

  • Schwarze Johannisbeeren 170 mg

Exoten-Bonus, Marketing und innere Werte

Die Hitliste der Superfrüchte mit Powereffekt führt derzeit die orangerote Gojibeere an. Die als „Anti-Aging-Beere“ gefeierte Frucht erreicht uns meist getrocknet, manchmal mit Schokolade überzogen – und bringt den Hauch der jahrtausendealten Gesundheitslehre Asiens mit in den Einkaufskorb: In der traditionellen chinesischen Medizin wird die Gojibeere zur Stärkung des Immunsystems verwendet; ihr sehr hoher Vitamin-C Gehalt soll die entzündungshemmende Wirkung verstärken.

Da können die Acaibeeren inhaltlich nicht mithalten. Die dunkle Schöne aus dem Amazonasgebiet punktet dank Dschungelexotik und einer internationalen Vermarktungsstrategie. Aus der brasilianischen Windsurfer-Szene kommend, setzte sie sich als Sportgetränk und Pulver in den Vereinigten Staaten durch. Beides wird aus dem Mark besonderer Palmfrüchte hergestellt, neben viel Kalzium stecken 50 Prozent Fett drin – ähnlich wie bei Oliven.

Im Granatapfel hingegen steckt eine Vielzahl gesunder Stoffe wie Polyphenole – geschützt unter der harten Schale, monatelang. Deshalb wurden Granatäpfel früher gern als Proviant mitgenommen, wenn Karawanen von Persien bis nach Indien zogen. Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Aroniabeere wurde seinerzeit in der Sowjetunion extra für die Herstellung von Vitamintabletten gezüchtet. Die dortigen Ärzte empfahlen sie auch gegen Bluthochdruck und Arterienverkalkung. Die Aronia, eine Verwandte der Eberesche, weist vor allem einen erstaunlich hohen Gehalt des „Augen-Vitamins“ A auf. Inzwischen wird sie auch in Ostdeutschland und Polen angebaut, im Handel findet man getrocknete Beeren oder Aroniasaft.

Keine Konkurrenz für die Altstars Apfel und Birne

Allen vier Superfrüchten wird auch ein hoher Gehalt an Antioxidantien bescheinigt, also zellschützenden Wirkstoffen. Doch fast alle Studien beruhen auf Laborversuchen. In einer Petrischale kann man zwar wunderbar die antioxidative Wirkung an einer Zelle beobachten, diese Erkenntnisse lassen sich aber nicht unbedingt auf den Menschen übertragen.

„Man kann keinen Pflanzenstoff exakt von der Zunge über Magen und Darm ins Blut bis in einzelne Zellen verfolgen“, gibt Prof. Bernhard Tauscher zu bedenken, ein Experte des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel (Max-Rubner-Institut). Das Biosystem ist so komplex, da wäre es unseriös, Gesundheitseffekte auf einzelne Wirkstoffe zurückzuführen. Hinzu kommt, „dass die Säfte selten pur sind und fraglich ist, wie viele der ursprünglichen Vitamine sich überhaupt in der Flasche befinden“, sagt Prof. Tauscher. Insgesamt schneiden die „Superfrüchte“ im Vergleich nicht besser ab als Äpfel oder Birnen.

Abwechslung und ein inneres Lächeln – zwei gute Gründe

Allerdings: Aromatische Verbindungen (Polyphenole) rücken neuerdings stärker in den Fokus der Wissenschaft. Sie scheinen eine zentrale gesundheitsfördernde Rolle zu spielen, der exakte Nachweis steht aber noch aus. Alle vier „Superfrüchte“ enthalten reichlich davon als bioaktive Substanz. Nicht zu unterschätzen ist auch ein gewisser psychologischer Effekt: Die besonderen Aromen der Exoten erinnern uns an Urlaub. Das löst positive Gefühle aus – genau wie ein bisschen Abwechslung auf dem Teller.

KLEINER EINKAUFS-GUIDE

Lassen Sie sich nie von allgemeinen Gesundheitsversprechen blenden. Laut EU-Recht müssen nur konkrete Angaben korrekt sein. Achten Sie bei Säften auf den tatsächlichen Fruchtgehalt; ein besonderer Gesundheitseffekt konnte bisher nicht nachgewiesen werden, aber sie schaden auch nicht. Wenn Sie mögen, kaufen Sie möglichst frische Früchte: Beim Trocknen gehen Inhaltsstoffe verloren. Aber auch auf langen Transportwegen leidet die Qualität – je länger, desto stärker.

Acaibeeren: Oft sehr teuer! Die Inhaltsstoffe rechtfertigen keine 80 Euro für eine Flasche Saft. Und bloß nicht online bestellen, da können Sie mit der Qualität reinfallen.

Aroniabeeren: Niemals roh essen! Die Früchte enthalten Blausäure, die erst durch Erhitzen zerstört wird. Pflanzen für den eigenen Garten können Sie auf www.aroniabeere.de bestellen.

Granatapfel: Die Schale sollte eine intensive Farbe zwischen gelb-orange und tiefrot haben. Ein metallischer Klang beim Anklopfen und eine leicht geöffnete Blütenkrone zeigen die Reife an.

Gojibeeren: Ware aus China ist häufig mit Pestiziden verseucht. Deshalb nur Produkte in Bio-Qualität oder aus dem Reformhaus kaufen.

Lade weitere Inhalte ...