
Kirschrot schimmert er im Glas, duftet intensiv nach Beeren und Holznoten. Dann folgt der fruchtige, samtige und ausgewogene Geschmack – meine Entscheidung steht nach kurzer Zeit fest: Diesen Wein mag ich! Mein schnelles Urteil bei dieser Weinprobe auf Château Pontet-Canet in der Appellation Pauillac ist natürlich rein subjektiv. Aber vielleicht spielt dabei ja eine Rolle, dass dieser Rotwein aus biologischem Anbau stammt. Nach Meinung von Monsieur Comme, dem Verwalter des wunderschönen, im 18. Jahrhundert erbauten Châteaus, spielt es das auf jeden Fall. „Durch biologischem Anbau verbessern wir unseren Wein deutlich”, sagt der quirlige Franzose stolz. „Auch wenn wir uns schon lange damit beschäftigen, ist der Anteil von Bio-Wein immer noch sehr gering”, erklärt er weiter. In Europa liegt der Marktanteil von Öko-Wein noch unter 5 Prozent. Doch immer mehr Menschen legen auch hier Wert auf Bio, wodurch sich das Angebot bei den Weinhändlern vergrößert. „Lange Zeit haben sie uns belächelt“, seufzt Alain Moueix vom Château Fonroque in Saint-Émilion.
Seit vier Generationen ist seine Familie hier. „Aber die Bedeutung unserer Weine wächst. Immer mehr renommierte Winzer schließen sich uns an.“ Sie tun es aus verschiedenen Gründen: um die Natur zu bewahren, die Arbeiter zu schützen oder mehr Geld zu verdienen. Aber ein gemeinsames Motiv haben alle: Sie wollen besseren Wein produzieren.

Immer mehr stellen um
Ich nehme eine Flasche Rotwein in die Hand. Auf der Rückseite klebt das kleine grüne EU-Öko-Siegel. „Wir bringen es auf die Flasche, damit jeder gleich sieht, dass der Wein bio ist”, sagt Moueix. Und im Unterschied zum Château Pontet-Canet: „Unsere Weine sollen für sich sprechen. Wir lassen uns aber zertifizieren, weil das für unsere Kunden wichtig ist”, sagt man dort.
Im Bordeaux stellen mittlerweile 280 Winzer Bio-Wein her oder sind zumindest in der dreijährigen Umstellungsphase. Neben dem normalen Öko-Anbau spielt auch der biologisch-dynamische auf der Grundlage der Anthroposophie von Rudolf Steiner eine Rolle. Beide Methoden verzichten auf chemisch-synthetische Mittel wie Pestizide, Herbizide und Fungizide. Für Schwefel zur Stabilisierung des Weines und Stickstoff für eine bessere Bodenqualität gibt es strenge Grenzwerte.
Im Bio-Anbau helfen Mineralstoffe wie Kupfer und Sulfat bei Schädlingsbefall wie dem Mehltau. Falls dem Boden Nährstoffe fehlen, wird organisch gedüngt. Gras und Blumen lassen den Weinberg erblühen und verhindern Bodenerosion. Der Boden enthält dadurch mehr Humus, was ihn lockert. Und ganz nebenbei vergrößert sich die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren. Dass Gentechnik tabu ist, versteht sich dabei von selbst.
Diese lockeren Böden können aber nicht mit schweren Maschinen wie Traktoren befahren werden. Deshalb kommen leichte Maschinen und Pferde zum Einsatz. Doch Jean-Michel Comme, der selbst ein kleines Öko-Château besitzt, betont: „,Bio‘ heißt nicht ,Rückschritt‘. Wir besinnen uns eben auf die Ursprünge und entwickeln diese fortschrittlich weiter. Auf moderne Technik kann niemand verzichten. Denn sonst könnten wir unseren Wein weder herstellen noch vermarkten.”
Bei der Biodynamik kommen noch andere Regeln dazu, die nicht immer einen wissenschaftlich nachvollziehbaren Hintergrund haben. „Wir richten uns auch nach Mondphasen und dem Lauf der Planeten bei der Pflege und Ernte”, erklärt Moueix augenzwinkernd. „Aber die Qualität unserer Weine spricht klar für sich!”

Bio-Richtlinien, die zum Beispiel von „Bioland“, „Ecovin“, „demeter“ oder in Frankreich von „Ecocert“ stammen, sind natürlich wichtig. Aber: Prall und knackig: Entscheidend für die Traubenernte ist der richtige Zeitpunkt Winzer sein ist vor allem eine Philosophie. Das wird mir klar, wenn ich Monsieur Moueixs blaue Augen leuchten sehe, während mir seine Hände Erde aus seinem Weinberg mit kleinen Kieseln und Häckseln unter die Nase halten. Ich schnuppere daran und bemerke: „Riecht irgendwie gesund.“ Anders kann ich’s nicht beschreiben. Aber der schlanke, grau melierte Mittvierziger ist zufrieden mit meiner Antwort und lächelt zustimmend.
Es geht um mehr
Winzer mit Leib und Seele wie Monsieur Alain Moueix und Jean-Michel Comme denken über den reinen Weinanbau hinaus. Bei ihnen geht es auch ums große Ganze. Deshalb versuchen sie, Ressourcen zu schonen. Sie arbeiten mit alternativen Energien wie Solaranlagen, um den Strom für das Weingut zu erzeugen. Sie sparen Wasser und reinigen es in eigenen Klärteichen. Das neueste Projekt sind optimierte, leichtere Flaschen. Sie könnten Energie sparen, die Lagerung und den Transport vereinfachen und somit den CO2-Ausstoß senken.
Ist Bio-Wein nun besser?
Der Anbau von Bio-Wein hat im Vergleich zum konventionellen Anbau klare Vorteile für die Natur und somit für den Menschen. Wie gut ein Wein ist, erkennt man nicht am Preis – „Bio“ muss nicht unbedingt teurer sein. Und selbst ausgezeichnete Weine sind abhängig vom persönlichen Geschmack. „Bio-Wein schmeckt ausgewogener und individueller”, bestätigt ein zufriedener Jean-Michel Comme nach einem Schluck seines Weines. Versonnen schaue ich in mein Weinglas. Und stimme ihm absolut zu.
Wein für die Gesundheit
Klingt zu schön, um wahr zu sein. Tatsache ist: Immer wieder belegen Studien, dass Rot- oder Weißwein gesundheitsfördernd wirken kann. Verantwortlich dafür sind Farbstoffe wie Polyphenole, Geschmacksstoffe und Tannine. Sie wirken antioxidativ, entzündungshemmend und teilweise krebsvorbeugend. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkankungen, Diabetes, Rheuma, Demenz und bestimmte Krebsarten kann somit gesenkt werden. Aber die Menge ist entscheidend. Studien bestätigen, dass Alkohol z. B. Brustkrebs eher fördert. Frauen sollten deshalb täglich maximal 10 Gramm Alkohol, Männer 20 Gramm aufnehmen. In 125 Milliliter Wein sind etwa 10 Gramm Alkohol enthalten. Das bedeutet ein (für Männer zwei) Glas pro Tag. Und genauso viel hat laut Studien einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Viel hilft also nicht viel – Wein ist und bleibt ein Genussmittel. Hier und da ein Gläschen schadet aber nicht.