Auf Seelachs-Fang

Auf Seelachs-Fang

Wir waren eine Woche auf Seelachs-Fang mit der Mannschaft des Hochseekutters „Bianca“, der nachhaltig aus gesunden Beständen in der Nordsee fischt. VITAL-Volontärin Vera Vaelske hat den Männern über die Schulter geschaut.

Fischerboot© iStockphoto
Fischerboot

Alarm: Die Sirene heult auf. Blitzschnell steigen die Seeleute in Ölzeug und Gummistiefeln. Den Helm schon auf dem Kopf. In Windeseile geht es an Deck. Der Fisch muss gehievt werden. Wie gebannt starre ich aufs Meer, neben mir vier gestandene Seeleute. Jetzt müssen alle anpacken: Fischwirt Denny Engelbrecht, 19, und Steuermann Kai Rogge, 25, sowie die beiden portugiesischen Fischer Antonio Pontes, 48, und Manuel dos Santos, 43. Der fünfte Mann, Kapitän Charly Heiber, 45, ruft von der Brücke aus knappe Kommandos.

Schiff "Bianca" © jalag-syndication.de
Fischerboot "Bianca": Alle Maschinen klar. Die "Bianca" geht auf Fangreise

Vor etwa 30 Stunden ging ich in Bremerhaven an Bord der „Bianca“, eines der fünf Seelachs-Fangschiffe der „Kutterfisch-Zentrale“ in Cuxhaven. Ihre Seelachsfischerei wird dieses Jahr vom Marine Stewardship Council (MSC) zertifiziert. Diese Auszeichnung erhält sie für ihren nachhaltig geführten Fang, mit dem sie die Seelachsbestände nicht überfischt und eine gesunde Meeresumwelt erhält.

Jetzt schaukelt das Schiff an der dänisch-norwegischen Grenze auf der Nordsee, ein volles Netz im Schlepptau. Ganz langsam steigt es aus 120 Meter Tiefe vom Meeresgrund empor. Vom Fisch noch keine Spur. Plötzlich, in etwa 500 Meter Entfernung, wird das Ende des Schleppnetzes sichtbar. Ein gigantischer „Beutel“, prall gefüllt. Sein glänzender Inhalt funkelt im Sonnenlicht.

„Hiev op!“, tönt es aus dem Lautsprecher von der Brücke. Über zwei Seilwinden holen die Männer das Schleppnetz dichter an das Schiff heran. Ketten rasseln, Taue werden gestrafft und Drahtseile an Deck gezogen. Antonio befestigt einen dicken Haken im Netz. Jeder Handgriff sitzt. Ein kurzes Zeichen zur Brücke, und Charly hievt den Beutel an Bord. Hierfür muss der ehemalige Unteroffizier mit den stahlblauen Augen ein paar Knöpfe und Hebel bedienen. Alles voll elektronisch. Trotzdem ist seine ganze Konzentration gefordert. An einem mächtigen Tau hängt der erste triefend nasse Beutel Seelachs dieser Reise. Der salzig-würzige Geruch des Meerwassers steigt mir in die Nase. Antonio öffnet mit flinken Fingern den Knoten am „Stert“, dem Ende des Netzes. Rund zwei Tonnen Seelachs stürzen aufs Deck. Die Männer stehen inmitten zappelnder Fische. Durch eine Luke rutschen die glitschigen Tiere in den Bauch des Kutters. Das Netz wird gleich wieder ausgesetzt. So eine Reise muss sich für die Seeleute schließlich lohnen: Ihr Einkommen wird nach der Fangmenge berechnet.

Kabeljau© jalag-syndication.de
Beifang Kabeljau: Kabeljau ist ein häufiger Beifang beim Seelachs.

Auf Eis gelegt

Den Fischern bleibt wenig Zeit für eine Verschnaufpause. Der Fang muss zügig verarbeitet werden. Denny und Kai sind bereits unter Deck, in der sogenannten „Fabrik“. An zwei Maschinen mit rasierklingenscharfen Messern, die das Aussehen eines Kreissägeblattes haben, nehmen sie die Fische aus. Während die Männer bei ohrenbetäubendem Lärm den Seelachs in die Maschinen einlegen, entdecke ich beim Fang jede Menge andere Fische. Am häufigsten Kabeljau. Dieser Beifang muss von Hand ausgenommen werden, weil die Maschinen dafür nicht ausgerichtet sind. Eine blutige Arbeit. Nichts für mich. Ich suche das Weite und mache mich auf den Weg zum Fischraum, ein Deck tiefer. Über acht Förderbänder und eine Sortiermaschine, die den Fisch nach Gewicht ordnet, gelangt der ausgenommene Fang dorthin. Antonio und Manuel arbeiten hier bei arktischen Temperaturen. Sie stapeln den Seelachs nach Gewicht und den Beifang nach Fischart in großen Plastikwannen zwischen Schichten aus zerkleinertem Eis. Je nach Fangmenge sind die Männer bis zu vier Stunden beschäftigt. Über 80 Tonnen Fisch passen so insgesamt in die „Bianca“.

Charly kümmert sich inzwischen auf der Brücke um die Routen, die uns noch bis zur Bergenbank auf Höhe der Shetland-Inseln führen werden. Im Moment schleppen wir. Rund 700 Meter Netz und Leinen zieht der Kutter etwa sechs Stunden hinter sich her. Dabei hat der Kapitän hauptsächlich zwei Bildschirme im Blick: Das Echolot gibt Auskunft über die Menge der Fischschwärme, die sich am Meeresgrund bewegen. Der zweite Monitor sendet ein Bild von der Fischmenge im Netz und vom Zustand des Grundtaus. Mit dessen Hilfe rollt das Schleppnetz über den Meeresboden. Während Charly noch die Bildschirmdaten für sich auswertet, drückt ihm Denny einen Zettel mit den gerade verarbeiteten Fangmengen in die Hand. „Schon wieder die Biester“, höre ich Charly fluchen. Gemeint ist der Kabeljau. Nicht, dass er ihn nicht mag. Die Menge, die er das Jahr über als Beifang an Bord nehmen darf, ist gesetzlich begrenzt. Diese Quote ist wichtig, damit die Kabeljaubestände nicht überfischt werden. Etwas mehr als vier Tonnen kann er im nächsten halben Jahr noch anlanden.

Charly Heiber
Er hat auf Brücke und Schiff das Sagen - Kapitän Charly Heiber

„Wenn uns weiterhin so viel ins Netz geht, haben wir unsere Kabeljauquote Ende August ausgeschöpft“, erklärt der erfahrene Seemann. Alles, was sie dann noch fangen, müssen sie ins Meer zurückwerfen. Tote Fische, die keinem etwas einbringen – außer vielleicht den hungrigen Möwen. Dieser sogenannte „Discard“ ließe sich vermeiden, wenn der Beifang trotz Überfischung der Quote mitgenommen werden dürfte. Ein Ziel, das auch die unabhängigen Experten des MSC verfolgen. Prinzipiell hat Charly nichts gegen Quoten. Doch die komplizierte Handhabung und ihre Kürzung durch die Bundesregierung sind für ihn und seine Kollegen nicht immer nachvollziehbar.

Vera Vaelske© jalag-syndication.de
Ölzeig ist an Bord ganz wichtig. das gilt auch für Autorin Vera Valeske.

Echte Seebären

Nach einer Woche haben wir insgesamt 50 Tonnen Fisch an Bord, den wir im dänischen Hafen Hanstholm an Land bringen. Der Seelachs reist auf einem Kühllastwagen in wenigen Stunden zum Filetieren nach Cuxhaven. Für die Mannschaft gibt es nach dem Löschen nur einen kurzen Landgang. Am nächsten Abend geht es schon wieder auf hohe See.

Obwohl die Männer etwa 270 Tage im Jahr von ihren Familien getrennt sind und rund um die Uhr hart arbeiten müssen, möchten sie ihren Job mit keinem anderen tauschen. Als ich am letzten Morgen auf der Brücke einen traumhaft schönen Sonnenaufgang erlebe, weiß ich, warum.

Das MSC-SIEGEL zertifiziert Fischereien und deren Management für ihren nachhaltigen Fang. Dieser wird durch unabhängige Experten immer wieder überprüft. Über 200 Fischerzeugnisse sind bisher in deutschen Supermärkten erhältlich. Der Seelachs kommt dieses Jahr dazu.

BIO-FISCH aus Öko-Aquakulturen wächst nach strengen Regeln auf. Zusätze – wie genmanipulierte Futtermittel, Wachstumsregulatoren oder Hormone – sind verboten. Medikamente werden kaum verabreicht. Herkömmliche Aquakulturen arbeiten nicht nach diesen Standards.

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