Wer kennt es nicht: Man schaut sich eines Tages im Spiegel an und hat hier und da ein paar Fettpölsterchen zu viel und die Arme sind weder straff, noch muskulös. Ein plötzlicher Motivationsschub durchfährt einen und man möchte dem Bauchfett zu Leibe rücken und gleichzeitig die Muskulatur an Bauch und Armen stählen. Seit Jahren hält sich jedoch in Fitnesskreisen der Glaube, dass dies nicht gleichzeitig möglich wäre. Doch was sagt die aktuelle Studienlage dazu? Wir verraten es Ihnen!
Kann man abnehmen und gleichzeitig Muskeln aufbauen?
Fettabbau und Muskelaufbau: Zwei gegenläufige Prozesse
Exakt zeitgleich können die beiden Prozesse tatsächlich nicht ablaufen, da verschiedene Hormone jeweils gegenläufige Prozesse im Körper antreiben. Allerdings können sie sich innerhalb eines Tages oder einer Woche abwechseln. Es handelt sich hierbei um sogenannte anabole und katabole Prozesse:
- Der Muskelaufbau ist ein anaboler Prozess, der z.B. durch Hormone wie Testosteron und Insulin gefördert wird. Insulin fördert jedoch auch die Einlagerung von Fett in die Körperzellen, wodurch ein gleichzeitiger Fettabbau unmöglich wird.
- Der Fettabbau ist ein kataboler Prozess, der z.B. durch die Hormone Glukagon und Adrenalin vorangetrieben wird. Längere Pausen zwischen den Mahlzeiten, wie z.B. beim intermittierenden Fasten, können helfen, den Insulinspiegel zu senken, um den Fettabbau in Gang zu bringen, ohne auf den Muskelaufbau zu verzichten.
Anfänger und Übergewichtige
Dass Trainingsanfänger sowie stark übergewichtige und adipöse Menschen innerhalb von Monaten oder gar Wochen Muskelmasse aufbauen können, während sie Fettmasse verlieren, ist vielen bekannt und auch wissenschaftlich belegt. Das liegt daran, dass diese Faktoren einen starken Einfluss auf das Trainingspotential nehmen: Der Trainingsstatus, die bisherige Körperzusammensetzung und die Art des Trainings (Krafttraining, Ausdauertraining, Intervalltraining) sind die größten Einflussfaktoren auf die Geschwindigkeit und das Ausmaß von Muskelaufbau und Fettabbau.
So hat sich gezeigt, dass
- Trainingsanfänger (< 1 Jahr Erfahrung oder längere Trainingspause)
- Übergewichtige (> 25 % Körperfettanteil) und
- Sportler mit suboptimalem Trainingsplan
das größte Potential für gleichzeitigen Fettabbau und Muskelaufbau haben. Dabei wird jedoch nicht, wie teilweise angenommen, Fett in Muskeln "umgewandelt", sondern in katabolen Phasen (z.B. 16-stündige Fastenzeit) Fett abgebaut und in anabolen Phasen (nach einem intensiven Krafttraining) Muskeln aufgebaut.
Erfahrene und Austrainierte
Bei Sportlern, die bereits seit Jahren Krafttraining betreiben, ihre Ernährung voll im Griff haben und quasi "austrainiert" sind, sieht die Lage etwas anders als bei Anfängern und Übergewichtigen aus. Da sie bereits über eine große Muskelmasse und einen geringen Körperfettanteil verfügen, ist nur noch wenig Verbesserungspotential vorhanden. Jedes weitere Gramm Muskelmasse mehr muss durch aufwendige Steigerungen und Veränderungen im Training herausgekitzelt werden und jedes Gramm Fett durch eine striktere Diät oder intensives Intervalltraining verbrannt werden.
Dennoch – das zeigt ein Vergleich von 18 wissenschaftlichen Studien aus dem Jahr 2020 – können selbst erfahrene Sportler weiterhin Fett abbauen und Muskeln aufbauen. Allerdings fällt ihnen das deutlich schwerer und sie müssen die Muskulatur mit neuen Übungen und anderen Trainingsmethoden reizen. Am wichtigsten und effektivsten haben sich dabei folgende Aspekte und Strategien erwiesen:
Fettabbau und Muskelaufbau: So geht's!
- Mindestens dreimal Krafttraining pro Woche mit progressiver Steigerung der Gewichte bzw. Intensität.
- Minutiöse Dokumentation von Ernährung, Leistungsvermögen, Regenerationspausen und allgemeiner körperlicher Verfassung.
- Täglicher Eiweißkonsum von 1 bis 2 Gramm je Kilogramm Körpergewicht, z.B. 50 bis 100 g Proteine bei einer 50 Kilo schweren Frau.
Tipp für Veganer: 7 pflanzliche Eiweißquellen für den Muskelaufbau >> - Anaboles Fenster nach dem Training nutzen: Mehrere Stunden nach dem Training ist die Muskulatur besonders aufnahmefähig für Eiweiß und Kohlenhydrate. Hierfür reicht z.B. eine Mahlzeit aus Linsen, Nüssen und Vollkorngetreide oder die Kombination aus Kartoffeln und Hühnerei. Keine Sorge: Das anabole Fenster ist nicht nur 30 Minuten lang offen, wie viele glauben, sondern mehrere Stunden lang.
- Regeneration ausschöpfen: Den größten Einfluss auf die Regeneration haben unsere Schlafqualität und Schlafdauer. Ebenfalls wichtig sind Pausentage mit lockerer, wenig intensiver Bewegung sowie die ausreichende Versorgung mit Eiweiß, Kohlenhydraten und essentiellen Fettsäuren.